Inklusion, Diversity und Intersektionalität
Jüngstes Beispiel ist der lange und kräftezehrende Kampf der Betroffenen um die Streichung des Kostenvorbehalts in einem Gesetz, das die häusliche Betreuung von beatmungspflichtigen Patienten verbessern sollte (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes (IPREG)) und Menschen in Gefahr brachte, gegen ihren Willen in eine stationäre Unterbringung verlegt zu werden.
Fakt ist: Alle sind eigentlich guten Willens. Aber in der Praxis machen Menschen mit Behinderung, Arme und Menschen, die in unserer Gesellschaft keinen gefestigten Stand haben, dieselben diskriminierenden Erfahrungen wie eh und je.
Inclutopia arbeitet deswegen mit dem erweiterten Inklusionsbegriff. Unsere Gründe?
• Es gibt zahlreiche Barrieren, die für Menschen, die in Deutschland sozialisiert wurden, keine sind: Bestimmungen der Ausländergesetzgebung, Sprache, strenge Anmeldeverfahren für Sprechstunden, Flyerkultur, Definitionen von Behinderung und kulturelle Zuschreibung.
• Die Stigmatisierung armer Menschen ist gesellschaftsfähig. Armut erschwert gesellschaftliche Teilhabe und die „Schuld“ daran wird i.d.R. den Betroffenen selbst angelastet. Viele Studien weisen nach, dass es in Deutschland kaum möglich ist, sich aus Armut zu befreien. Dies betrifft in besonderem Maß die Kinder armer Familien, denn unser Bildungssystem beschränkt die Durchlässigkeit weiterhin. Die Folgen des Fortbestands bestehender sozialer Ungerechtigkeit, sind bekannt und bestens erforscht.
• Diskriminierungserfahrungen sind somit individuell und strukturell begründet. Es ist uns wichtig, beide ernst zu nehmen und insbesondere subjektive Empfindung nicht als bedauerlich abzutun.
Ein Beispiel: In einem Gruppenchat des Aachener Couven-Gymnasiums transportierten Schüler*innen Rassismus und Antisemitismus. Dies hatte einerseits strafrechtliche Relevanz, denn Schule ist kein rechtsfreier Raum. Andererseits gilt es, sich um die Schüler*innen zu sorgen, die hier angegriffen wurden. Die Erfahrung zeigt aber, dass die betroffenen Schüler*innen, die das Vertrauen in die Institution Schule verloren haben, die Angebote der Schulsozialarbeit nicht in Anspruch nehmen, weil sie an diesem Ort Gewalt erfahren haben,.
Diesem Mangel an Beschwerdemechanismen begegnete die AWO Mittelrhein mit BANDAS, einer unabhängigen Beratungsstelle.
• Diskriminierungsmechanismen analytisch zu betrachten ist Kernstück des menschenrechtsbasierten Diversity-Ansatzes. Die Erfahrung von Diskriminierung aufgrund mehrerer Faktoren ist das Phänomen der Intersektionalität. Davon berichten z.B. Menschen mit Behinderung, deren Herkunftsland nicht Deutschland ist, Alleinerziehende mit Behinderung und LSBTIQ* Menschen mit Behinderungen (Lesben, Schwule, bisexuelle, queere, trans- und intersexuelle Menschen). Intersektionalität führt darüber hinaus zu vorurteilsgeführten Rollenfestlegungen, d.h. der Alltag der Betroffenen und ihre Probleme werden falsch interpretiert – ihnen wird nicht geholfen, sondern aufgrund der Vorurteile weitere Steine in den Weg gelegt.
Dr. Donja Amipur beschreibt in ihrer Dissertation „Migrationsbedingt behindert“ die Belastung von Familien mit Migrationshintergrund, die sich zwischen den verschiedenen für sie zuständigen Behörden aufreiben. Um den Aufenthaltsstatus nicht zu gefährden, versuchen sie sich unabhängig von Sozialleistungen zu machen, während zeitgleich von ihnen erwartet wird die bestmögliche Unterstützungsleistung für die Kinder mit Behinderung zu beantragen. Während sie versuchen, Betreuung, Förderung und Pflege ihrer Kinder sicherzustellen, wird Beratung und Integration obendrein aufgrund fehlender Deutschkenntnisse erschwert. Wird aufgrund dieser struktureller Faktoren ein Hilfsangebot nicht wahrgenommen, erklärt sich dies rasch durch einen vermeintlich kulturell bedingten Behinderungsbegriff*.
• Viele Faktoren beeinflussen Teilhabe.
Viele Faktoren bestimmen interaktiv die Lebenssituation der Menschen:
Wohnsituation, Finanzen, Bildung, Berufliche Situation bzw. Erwerbslosigkeit, Gesundheit, Soziale Beziehungen, Infrastruktur im Wohnumfeld, Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, Geschlecht, Sozialisation, Migrationshintergrund und Alter bei Eintritt der Beeinträchtigung. Soziale Isolation kann daraus resultieren, dass man von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen wird. Einsamkeit begünstigt wiederum bestimmte Krankheiten und altersbedingte Demenz.
------------------> HIER FEHLT NOCH EIN SCHÖNES PROJEKT Bsp. Um dem Erkalten sozialen Zusammenhalts entgegenzuwirken? <--------------------
• Strukturelle Benachteiligung erfahren Menschen mit Behinderung durch mangelnde Barrierefreiheit. Dies ist ein umfassendes Themenfeld, in dem wir von der Expertise zahlreicher Institutionen und Aktivist*innen profitieren. Unser Lieblingstipp an dieser Stelle: Die Wheelmap. Diese interaktive Karte stellen die Sozialheld*innen Berlin bereit, die darin barrierefreie Orte markieren.
Alle diese Aspekte beeinflussen die Möglichkeiten zu gesellschaftlicher Teilhabe:
Inclutopia möchte den Exkludierten eine Stimme geben. Und weil wir ein kleines Start Up sind, beginnen wir mit den Jüngeren und ihren Familien, denn in diesem Bereich bringen wir aus eigener Betroffenheit reichlich Expertise und Erfahrung mit.
Erfahrungen anderer möchten wir gerne berücksichtigen. Daher freuen wir uns über Ihre Rückmeldung.
Graphik: Alina Schmitz und Dietrich Engels (ISG) u.a. im Auftrag des Ministeriums
für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Teilhabebericht NRW 2020, S. 16.